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AutorenbildDr.in Katrin Hofer

Im Dialog mit dem Ungeborenen

Die Schwangerschaft gehört zu den größten Veränderungen im Leben einer Frau. In der Bindungsanalyse nimmt die Mutter tiefen emotionalen Kontakt zu ihrem Baby auf, wobei die Bindung gefördert wird und Ängste gemildert werden.

Die Schwangerschaft ist eine vorwiegend private, intime Erfahrung im Leben einer Frau, die sie mit niemandem teilen kann. Die Frau ist in dieser Zeit mit vielfältigen gesellschaftlichen und kulturellen Normen konfrontiert und erfährt ein gesellschaftliches Interesse an ihrem körperlichen Zustand. Die Schwangerschaft ist Ausdruck von Veränderung, Wachstum und Vermehrung.

Vor und während der Schwangerschaft treten häufig Ängste auf, denn die Frau fragt sich: Werde ich eine gute Mutter sein?, Ist mein Baby normal?. Die Beschäftigung mit diesen Themen spiegeln sich häufig in Träumen wider. Die Frau richtet ihre Aufmerksamkeit von außen nach innen, was bedeutet, dass sie sich vom gesellschaftlichen, sozialen Leben allmählich zurückzieht und sich mehr denn je auf sich selbst und ihr Baby konzentriert.

So erfüllend das Eintreten einer Schwangerschaft für die Eine ist, so erschütternd mag sie für die Andere sein. Ist das Kind ein gewünschter Eindringling oder kommt es ungelegen? Entscheidet die Frau sich sofort dafür oder ist sie unsicher? All diese Gefühle und Empfindungen der Mutter übertragen sich auf das Ungeborene.

Die ersten drei Monate in der Schwangerschaft sind dadurch gekennzeichnet, dass die Frau ihr Baby anerkennen muss. Die häufige Übelkeit zu Beginn der Schwangerschaft ist nur ein Anzeichen der weiteren psychischen, körperlichen und hormonellen Veränderungen. In dieser Zeit wird meist das erste Mal von der Schwangerschaft erzählt und die Frau ist mit den Reaktionen der Außenwelt konfrontiert. Im zweiten Trimester wird die Schwangerschaft zunehmend gewohnter, die Frau nimmt die ersten Bewegungen des Babys wahr und stellt sich auf die körperlichen Veränderungen ein. Gegen Ende der Schwangerschaft tritt die näher rückende Geburt in den Fokus und damit das langsame Abschiednehmen vom Baby im Bauch.

In der Bindungsanalyse, der präventiven Methode zur Vertiefung der vorgeburtlichen Bindung zwischen Mutter und Kind, erfährt die Frau einen haltenden Raum, um sich voll und ganz auf die Beziehung zu ihrem Kind einzulassen. Diese frühe Kontaktaufnahme zwischen Mutter und Baby fördert die Bindungsfähigkeit und dadurch auch die Entwicklung des Kindes.

Die werdenden Eltern werden in eine neue Phase ihres Lebens und das ungeborene Kind in das extrauterine Leben hinein unterstützend begleitet. Dabei ist die Bindungsanalyse nicht als Therapie anzusehen, sondern als Methode unterstützender Begleitung. Es geht um ein Verständnis der jeweiligen Entwicklung der Schwangeren und ihres Partners, ihrer Partnerin, um ihre bewussten und unbewussten Konflikte und um die Lebensbedingungen in ihrer psychosozialen und gesellschaftlichen Wirklichkeit. Demnach ist der Partner oder die Partnerin in dieser Begleitung herzlich willkommen.

In der Zeit der Schwangerschaft erinnert die Frau eigene frühe Erfahrungen an ihre Kindheit. Sie beschäftigt sich mit dem Bild der „guten“ Mutter und des „guten“ Vaters, wobei ihre jeweils eigenen Erfahrungen eine große Rolle spielen. Diese Erfahrungen haben einen großen Einfluss auf die Beziehung zu ihrem Kind. So stellt beispielsweise die Bindungsanalyse den Raum für die Frau dar, sich ihren eigenen Erfahrungen bewusst zu werden und diese folglich reflektiert an ihr Kind weiterzugeben oder auch nicht.

Ludwig Janus, ein deutscher Psychoanalytiker mit dem Schwerpunkt prä- und perinatale Psychologie formuliert dies so, dass die Bindungsanalyse jede Frau dabei unterstützt ihre weiblichen Kompetenzen zu entfalten und weiterzuentwickeln.

Das Selbstgefühl des Kindes entwickelt sich an den Vorstellungen und am Selbst seiner Eltern und Großeltern. Für die Geburt ist es wichtig, dass sich Mutter und Baby differenziert voneinander wahrnehmen können. Es handelt sich dabei um eine Getrenntheit zweier Körper in der gemeinsamen Verbundenheit. Folglich ist die Bindungsanalyse ebenso als Geburtsvorbereitung sowohl für das Kind als auch für die Mutter zu sehen. Sie ist für jede Frau und jedes Paar zu empfehlen. Gehen und bleiben Sie in Kontakt mit Ihrem Ungeborenen! Veröffentlicht wurde der Beitrag in der Juni-Ausgabe 2020 in der Zeitschrift des Kinderhilfswerks:



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